1978 (Teil 6)

Was bisher geschah (oder auch nicht) …
Als Jugendlicher darf man in begrenzten Umfang auch schon arbeiten und Geld verdienen. Eine Möglichkeit ist das Ausliefern von Druckerzeugnissen des legendären Heinrich Bauer Verlags. Für eine TV Hören und Sehen gibt es 15 Pfennig Provision. Jedenfalls wenn das Moabiter Proletenvolk, welches sich meist noch Praline, Neue Revue oder Quick andrehen lässt, überhaupt Kleingeld im Haus hat. Ist meistens alles in der Monatsmitte schon versoffen. Dann sind da noch die Omas mit Neues Blatt, Neue Post und Tina Abonnement, bei denen das Inkasso nicht ganz so das Problem darstellt. Dafür stehlen sie einem kostbare Zeit mittels sozialer Kontaktaufnahme. Was aber vom Trinkgeld dann doch wieder lohnend sein soll. Durchschnittlich zwanzig Mark kommen zusammen nach drei Stunden Treppensteigen. Überzählige Hefte gehen zurück als Remittenden, notorische Nichtbezahler werden gemeldet und kriegen wahrscheinlich eine Schlägertrupp auf den Hals gehetzt. Nach einem Jahr ist Schluß.
Manchmal zu später Stunde eines grauen Tages im Herbst traute man sich kaum, die Illustrierten Presseerzeugnisse weiter auszutragen. Hinterhöfe im Bezirk Tiergarten Ende der Siebziger hatten in etwa den morbiden Charme Prenzlauer Bergs 1990. Entsprechend stanken im Winter auch die verheizten Briketts, egal ob Rekord oder Union. Von den Hauswänden blätterte der Putz, kaputte Glühbirnen im Aufgang wurden nach Fünfjahresplan erneuert. Aber dafür kostete die Miete nur ein Hunni pro Zimmer inklusive Küche mit Herd und Außenklo. Benzin war ordentlich verbleit, Parkplätze noch genug vorhanden und Fahrradfahrer hielten sich an die Straßenverkehrsordnung. War eben nicht alles schlecht, damals in der BRD.


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1981

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